Die Sage vom Waldherrn aus dem Nemour

Aus Herzogtum Vexin
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Die Sage vom Waldherrn aus dem Nemour

Im Forêt Ensorcelé lebte schon seit altersher der Waldherr, auch als Waldriese bekannt. Nur wenige wagen es ihn den Waldschrat zu nennen, denn diesen Namen schätzt er wenig. Er ist der Herr der Bäume, soll gar in alter Zeit ein Gott gewesen sein, und Feen, Kobolde und auch die Tiere gehorchen seinem Wort.: Armen und ohne eigene Schuld in Not geratenen soll er viel Gutes getan haben, doch den Bösen und Hartherzigen spielt er üble Streiche, sagen die Geschichten.

So war einmal ein armer Mann, dem war die Frau gestorben und er hatte zwei Kinder, die er ernähren musste. Doch die Ernte war schlecht und er fand keine Arbeit als Helfer auf dem Feld. Mit seinen Kindern zog er von Dorf zu Dorf um Almosen zu erbeten, doch die Leute hatten wenig zu geben. So hungerten sie oft und manche Nacht musste er seine Kinder hungrig schlafen schicken. Und als der Herbst kam waren sie in der Nähe des Waldes und er dachte bei sich 'Ach, mag ich wohl hinein gehen. Ich will Eicheln, Zapfen und Bucheckern suchen. Die werden den argen Hunger stillen können. Und vielleicht kann ich einige abgeben an die Bauern für ihre Tiere, dass sie uns etwas Brot dafür geben'. So gedacht ging er in den Wald und sammelte, was er auf dem Waldboden fand in seiner Schürze ein. Dabei vergaß er nicht stets ein Dank an den Wald zu murmeln für die Gaben, die er den Menschen schenkt. Und immer tiefer ging er dabei in den Wald, bis er die Sonne kaum mehr zwischen den Baumwipfeln sehen konnte. Da erschrak er, denn er konnte sich nicht mehr an den Weg zurück erinnern. Gerade wollte er in Wehklagen ausbrechen, als er durch den Wald jemanden ein lustige Lied pfeifen hören konnte.

Aus dem Gebüsch schritt ein großgewachsener Mann daher mit wettergegerbter Haut, langem Bart und in dem Gewand eines Jägers. Der war wohl gut mehr als zwei Schritte groß und seine Augen musterten funkelnd den Sammler. "Na, wen haben wir denn da? Was macht ihr so tief im Herz des Waldes? Seid ihr gar einer dieser garstigen Holzfäller, die unerlaubt das Holz schlagen?", fragte er bedrohlich den eingeschüchterten Mann. "Nein, Herr! ich sammelte nur von den Früchten des Waldes, die dieser reichlich und freiwillig hergeben hat. So schwöre ich beim Leben meiner Kinder! Nur verlaufen habe ich mich. Könnt ihr mir nicht helfen?", erwiderte er hastig und bereute es, als er den Jägersmann breit grinsen sah. Denn er erinnerte sich vieler Geschichten aus dem Wald, und nicht alle davon endeten im Guten. "So, Kinder hat er also. Und den Weg will er wiederfinden? Was gibt er mir denn dafür, dass ich ihn herausführe?" "Herr ich habe wenig mehr als das, was ich am Leibe trage und was ich sammeln konnte. Doch will ich geben was ihr verlangt, solange ihr mir helft." "Ha, ihr solltet eure Worte weiser wählen. So wähle ich euer jüngstes Kind und sie soll mein werden und unter der Erde hausen in meinem Heim!", sprach grimmig der Waldgeist, denn als solchen glaubte der zitternde Vater ihn nun zu erkennen und er brach in Tränen aus und fiel auf die Knie. "Oh Herr, bitte nehmt sie nicht. Meine Tochter ist noch so jung. Lieber will ich selbst mein Leben wieder tauschen für das ihre und euch dienen, solange ihr sie nur in Freiheit lasst!", sprach er mit ringenden Händen und verschüttete dabei die gesammelten Früchte des Waldes. Doch der Waldesherrr hatte ihn nur prüfen wollen, sein Herz und ob er fähig wäre ein unschuldiges Kind für sich selbst zu opfern. "Trockne deine Tränen, Mann, nichts arges will ich dir noch deinem Kinder, so gehe nur dort am Bach entlang und du wirst auf den weg zur rechten Hand hinaus finden aus dem Waldreich." Dann bückte er sich und griff mit beiden Händen nach den fallengelassenen Eicheln und stopfte sie dem Mann in seine Schürzentasche. "Nun geh und sage niemandem, wo du wahrhaftig gewesen bist. Ich leide es nicht, wenn die Menschen mein Reich zu tief erforschen nach meinen Geheimnissen."

Zutiefst dankbar und sich noch vor ihm verbeugend eilte der Mann so geschwind er konnte aus dem Wald, den gewiesenen Weg hinaus folgend. So merkte er erst, als er den Wegrand erreicht hatte, dass ihm seine Schürze sehr schwer geworden war. Und als er hineinblickte da blitzten ihn die Eicheln an und waren aus lauterem, ehrlichen Silber. "Danke, werter Waldesherr!", rief er gen Wald. "Gesegnet sei deine Mildtätigkeit!", ehe er eilends zu seinen Kindern lief. Von diesem Tag an mussten sie nicht mehr hungern, auch wenn sich alle sehr über den Reichtum wunderten. Doch er schenkte jedem, der ihm zuvor gut getan hat von dem Schatz und über jedes Haus legte sich ein Segen. Erst auf dem Totenbett im hohen Greisenalter, umringt von einer Schar Urenkel, erzählte er wie es gewesen war und noch lange nach ihm dankte man dem Waldriesen für seine gute Tat.

Drei der silbernen Eicheln kaufte der Chevalier de Nemour und man kann sie noch heute im Hause seiner Nachkommen bewundern.