Sainte Sophie
Beatrice Sophie de Caronne
Beatrice Sophie de Caronne wurde als Tochter eines einfachen Lehensritters aus dem Fief Aiguillon geboren. Der Canon Sophie berichtet im Werk „Das Leben der Heiligen“ von einer ruhigen und beschaulichen Kindheit, die nicht gewöhnlicher hätte verlaufen können. Neben allen Tugenden und Fertigkeiten, die man von einer jungen Edeldame erwartete, erhielt das Mädchen nur eine rigide moralische Ausbildung durch ihre Mutter auf den Weg. Letztlich war es das Schicksal, die Vorsehung, die Sophie den Weg des Herzogs Pierre le Vilain kreuzen ließ. Auf einer Reise durch Aiguillon begegnete der Herzog dem Mädchen, daß mit ihrem Gefolge auf dem Weg zum Markt war. Von der weit gerühmten Schönheit der Heiligen gefesselt, unterbrach der Herzog seinen Weg, um zu erfahren, wer sie war. Schließlich ließ Pierre jeglichen Gedanken an eine politisch vorteilhafte Heirat fallen und nahm sich die junge Dame de Caronne zur Frau.
Die Heirat fand im Mai des Jahres statt, daß spätere Chronisten als das Jahr 0 AR bezeichnen sollten. Sophie de Caronne war gerade 15 oder 16 Jahre alt, als sie zur mächtigsten Frau des Herzogtums, aber auch zur Gemahlin des meistgehassten Herzogs aller Zeiten, wurde. Schnell verstummten Spötter und Neider. Die junge Herzogin war ein Musterbeispiel an Ettikette und höfischer Tugend. Selbst die bittersten Feinde des Herzogs konnten diese Qualitäten nicht leugnen. War die minnigliche Dichtkunst auch in den Zeiten vor der Herzogin eine blühende Kunst gewesen, so inspirierte Sophie du Vexin eine neue Welle von Liedern und Gedichten. Allein ihre Anwesenheit am Hofe ließ das Herzogtum wieder zu einem freundlicheren Ort werden.
Doch über alles gerühmt waren Mildtätigkeit und Geduld Sophies. Wer arm war, konnte ihrer Freigiebigkeit über jedes höfische Maß hinaus sicher sein. Wer sich ihr verschloß, wurde geduldig, aber zielstrebig, bewegt, seine Haltung zu ändern. Nicht zuletzt Herzog Pierre konnte seiner Gemahlin in vielen Dingen nichts abschlagen. Seine Willkür wurde weniger unerträglich, zu manchen Zeiten holte er gar den Rat seiner Seigneurs ein. Dann begannen die Wunder. Im Jahre 7 AR brannte im Grossen Feuer von Epte ein grosser Teil der Stadt nieder. Um die Besitzlosen und Leidenden besorft, ging die Herzogin in die Stadt hinab und begann, Brot auszugeben. Ein einziger Brotbeutel aus Leinen hing an ihrer Seite, doch schien das Brot darin nie auszugehen. Einen ganzen Tag lang speiste sie die Menschen aus diesem einen, kleinen Beutel. Konnten Zweifler für das erste Wunder noch ausflüchte finden, verstummten sie doch im Jahre 10 AR. Auf einer Reise nach Falaise besuchte die Herzogin ein Waisenhaus. Die Kinder lebten dort in solcher Armut, daß nicht einmal für die einfachsten Speisen bezahlt werden konnte. Vom Leid der Kinder bewegt, ging Sophie du Vexin in den Garten des Hauses, in dem ein einzelner Apfelbaum stand, kahl und verdorrt. Nachdem sie aber den Baum berüht und mit ihren Tränen benetzt hatte, begann der tote Baum zu blühen, die Blüten wuchsen in kurzer Zeit zu Äpfeln aus, von denen die Kinder gespeist wurden.
Wiederum zwei Jahre später, im Jahre 12 AR, besuchte das herzogliche Paar Courelle. Bei einem Empfang der Université des Arts weigerte sich die Herzogin, an der Seite des Vorstehers zu speisen. Sie könne nicht, sagte sie, mit jemandem speisen, der so viele Mätressen aushalte, das er nicht alle in einer Woche sehen könne. Wütend schickte der Herzog seine Gemahlin fort, aber bevor sie ging, prophezeite sie, der Maître werde binnen einer Woche streben, wenn er seinen Lebenswandel nicht ändere. Lachend tat man die Prophezeiung ab. Doch eine Woche später traf den Magister in einem Hurenhaus in Courelle der Schlag.
Im Jahre 17 AR traf die Entourage des Herzogs im Marktflecken Vassin, gelegen im Fief Beauvalle, einen Bettler, der vor Durst fast umkam. Wieder zog die Herzogin den Zorn ihres Gemahls auf sich, indem sie anhalten ließ, um den alten Mann zum Brunnen zu führen. Ein Bewohner des Dorfes sprach, daß der Brunnen seit einem Jahr trocken liege, und man dort kein Wasser mehr finden werde. Doch die Herzogin hieß ihn, den Eimer hinab zu lassen. Tatsächlich war der Eimer mit Wasser gefüllt, als man ihn wieder herauf zog.
Das letzte Wunder ereignete sich im Jahre 21 AR. Das Frühjahrsturnier in Epte wurde vom Herzog ausgerichtet, der selbst in die Schranken reiten wollte. Die Herzogin, erbost durch die Zügellosigkeit ihres Gemahls und durch die wachsende Willkür im Alter, prophezeit, daß der Herzog am zweiten Tag des Turniers sterben werde, sollte er nicht die Krone seinem Sohn Jean-Pierre übergeben. Pierre Tat die Drohung lachend ab. Am zweiten Turniertag drang eine Lanze durch das Visier des Herzogs und durchbohrte sein Auge. Herzog Pierre war tot, bevor er den Boden berührte. Die Herzogin verlebte ihre letzten Monate als Herzogin Mutter und organisierte die Krönung ihres Sohnes Jean-Pierre. Nur wenige Wochen nach den Zeremonien starb die Herzogin im Alter von 38 Jahren friedlich in Epte.