Schlüssel

Aus Herzogtum Vexin
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Der Schlüssel (vexinisch clé, Plural clés) ist nicht nur ein Alltagsgegenstand, sondern hat auch eine spezifische symbolische Bedeutung. Als Symbol steht der Schlüssel für Verfügungsgewalt.


Verfügungsgewalt

Schlüssel öffnen Türen und Tore, also kann derjenige, der die Schlüssel trägt, den Zutritt nach eigenem Gutdünken verwehren. Das Tragen von Schlüsseln zeigt daher eine besondere Verantwortung des Trägers oder der Trägerin an. Offen getragene Schlüssel oder Schlüsselringe (porte-clés) zeigen in der Regel eine verwaltende Position an. Die feierliche Übergabe von Schlüsseln ist deshalb Bestandteil bestimmter Rituale und Ernennungszeremonien.


Zeichen der Hausherrin

Ehefrauen, die mit dem Familienoberhaupt verheiratet sind, steht die Schlüsselgewalt in ihrem Haus zu. Als Hausherrin (maîtresse de la maison) tragen sie einen Schlüsselbund mit allen Schlüsseln bei sich. Das umfasst die Schlüssel zu den Vorratskammern, Kellern und allen Türen, aber auch zur Geldschatulle. Die Trägerin gewährt den Zugang und kontrolliert alle Vorgänge im Haus, da sie für die Verwaltung und die Verrichtung der täglichen Aufgaben zuständig ist.

Natürlich kann die Hausherrin die Schlüssel für bestimmte Aufgaben weiter reichen (z.B. an einen Verwalter), und bestimmte Schlüssel müssen einfach mehrfach vorhanden sein (z.B. Hausschlüssel). Aber kein Angehöriger des Haushalts erhält einen Schlüssel, ohne das sie zustimmt. Als Zeichen ihrer Autorität trägt sie den Schlüsselring am Gürtel, mindestens in ihrem Haus, bei der Arbeit und bei Besorgungen. Wohlhabende Bürgerfrauen tragen den Schlüsselring als eine Art Standeszeichen auch zum Festgewand, und auch im Adel ist es nicht ungewöhnlich, das eine Dame den Schlüsselring zum Festgewand trägt.

Übergabe

Am Tag nach den Hochzeitsfeierlichkeiten wird die neue Hausherrin vom gesamten Haushalt begrüßt. Dabei werden ihr von der bisherigen Halterin die Schlüssel feierlich überreicht. Traditionell wird die Schlüsselgewalt von den Frauen des Hauses ausgeübt, und die Übergabe der Schlüssel wird nicht selten von Neid und Missgunst begleitet.

Sonderfälle

Bestimmte Schlüssel werden nicht von der Hausherrin getragen. Handwerker und Kaufleute behalten immer einen Schlüssel zur Geldtruhe. Allerdings muss die Hausherrin hier ebenfalls einen Schlüssel haben, denn ohne Zugang zum Geld könnte der Haushalt nicht verwaltet werden.

Es ist allgemein üblich, daß die Frauen ein Mitspracherecht, wenn nicht sogar die Kontrolle über die Ausgaben haben. Im Adel geht das so weit, daß die Männer sich gar nicht mit finanziellen Fragen befassen. Die Beschäftigung mit Geld gilt als unfein und unritterlich, Freigiebigkeit ohne Einschränkung ist eine Tugend. Daher kümmert sich die Dame des Hauses meist um Steuern, Abgaben und Einnahmen. Auf größeren Gütern werden dafür Verwalter eingesetzt, aber das letzte Wort hat die Dame. Ihr obliegt es auch, die Ausgaben ihres Mannes zu kontrollieren und zu decken. Je nachdem, wie das Verhältnis der Eheleute aussieht, werden diese Angelegenheiten mehr oder minder einvernehmlich gelöst.

Schlüssel zu Burgtoren und anderen militärischen Einrichtungen werden nicht von der Ehefrau des Trägers übernommen, es sei denn, dieser ist auf Reisen.

Amtsschlüssel

Schlüssel können auch als Zeichen der Amtsgewalt verliehen werden. Burgvögte (Châtelaines) sind das prominenteste Beispiel. Sie erhalten bei ihrer Ernennung den Schlüssel zu den Toren der Burg, für die sie zukünftig verantwortlich sind. Aber auch andere Ämter können mit einer Schlüsselgewalt verbunden sein (z.B. hält der Marechal den Schlüssel zu den Stallungen).

Amtsschlüssel werden in der Regel nicht ständig als Insignie getragen. Oft werden sie nur am Hof oder zu offiziellen Anlässen angelegt. Deshalb sind Amtsschlüssel meist keine Gebrauchsgegenstände, sondern verzierte Prunkstücke, die den Rang des Trägers kennzeichnen sollen.

Schlüssel als Zeichen der Unterwerfung

Die Übergabe eines Schlüssels kann auch Zeichen der Unterwerfung sein. Sie symbolisiert die Aufgabe jeglicher Verfügungsgewalt. Meist ist die Unterwerfung Teil einer Treuebekundung oder einer Kriegshandlung.

Als Treuebekundung übergibt der Schlüsselhalter seinem Herrn die Schlüssel, der sie ihm daraufhin wieder zurück gibt. So gilt es zum Beispiel als angemessen, seinem Lehnsherrn die Schlüssel zum eigenen Gut zu übergeben, sollte er dieses Besuchen. Dieser simple Akt verdeutlicht die Beziehung zwischen einem Vasallen und seinem Herrn. Der Vasall zeigt damit an, daß er seine Ländereien und/oder Ämter nur durch die Gnade seines Herrn hält und sich dessen bewusst ist. Durch die Rückgabe der Schlüssel zeigt der Herr sein andauerndes Vertrauen in seinen Vasallen. Diese Zeremonie ist keineswegs verpflichtend. Der Vasall zeigt damit einfach an, daß er sich seinem Herrn verbunden fühlt.

Manchmal werden die Schlüssel auch übergeben, wenn der Vasall den Herrn besucht. Dies ist meist mit einer Bitte um Vergebung verbunden, oder aber mit einem Gesuch, das an den Herrn gerichtet wird. So könnte z.B. ein Châtelain dem Herzog die Schlüssel der Burg überreichen, bevor er um die Hand einer Dame bittet.

Es gibt auch einige verbindliche Übergaberituale. Zum Beispiel muss der Bürgermeister von Epte dem Herzog am Tag seiner Ernennung die Schlüssel zur Stadt bringen. Auch wird der Herzogin in jeder Kirche, die sie betritt, von der jüngsten Priesterin der Schlüssel zum Kirchenportal überreicht.

Im Krieg gilt die Übergabe der Burgschlüssel (oder der Schlüssel anderer Einrichtungen, z.B. Zollhäuser) als Kapitulation. Wenn die Besatzung einer Burg keinen Ausweg mehr sieht und keine Hilfe erwarten kann, öffnet der Châtelain die Tore und der Ranghöchste unter den Verteidigern überreicht dem Angreifer die Schlüssel zur Burg. Dabei werden die Schlüssel nicht in die Hand des Siegers gelegt. Dieser streckt dem Besiegten eine Lanze entgegen, an die der Schlüsselring gehängt wird.

Die Übergabe in die Hand des Angreifers gilt als Verrat. Die friedliche Übergabe an jemanden, der kein Anrecht auf den Schlüssel hat, ist unehrenhaft und ein Bruch des Lehnsrechts. Deshalb gilt es auch als unehrenhaft, den Besiegten zur Übergabe in die eigene Hand zu zwingen. Andererseits wurden durch solche Forderungen schon Burgbesatzungen gezwungen, bis zum bitteren Ende auszuharren.


Clé de la héritière und Clé de la veuve

Außer als Zeichen der Verfügungsgewalt, werden Schlüssel im Vexin auch als Zeichen der Erbberechtigung von Edeldamen getragen. Eine Dame, die dem Erbrecht nach als Erbin der Familienländereien gilt, trägt einen einzelnen silbernen Schlüssel an ihrem Gürtel. Dieser Erbinnenschlüssel (Clé de la héritière) zeigt ihre Stellung und ihre Heiratsfähigkeit an. Eine Erbin, die bereits versprochen ist oder die noch nicht heiratsfähig ist, wird den Schlüssel nicht tragen. Trägerinnen eines Clé de la héritière finden sich am Hofe oft als Zentrum der Aufmerksamkeit junger Ritter wieder.

Bereits verwitwete Damen, die über eigenen Ländereien verfügen, tragen einen goldenen Schlüssel am Gürtel. Dieser Witwenschlüssel (Clé de la veuve) zeigt die besondere Stellung der Witwe an, die nicht an die Entscheidung ihrer Familie gebunden ist, wen sie zu heiraten hat. Deshalb gelten Witwen unter landlosen Rittern als weitaus attraktivere Partie, als junge Damen. Besonders gilt dies, wenn sie den Witwenschlüssel tragen, der als Zeichen eines Heiratswunsches getragen wird. Hat die verwitwete Dame nicht die Absicht, wieder zu heiraten, wird der Schlüssel nicht getragen.